Wettertechnisch hat der Frühling endlich Einzug in Hamburg gehalten. So beginnt mein Wochenende mit einem Hansa Pils auf dem Balkon.
Mein Wissen über Die Schröders ist zu diesem Zeitpunkt noch sehr begrenzt. In das Album „Mutter horcht an deiner Tür“ wurde sich ein bisschen reingehört und es wurde für „ganz gut“ befunden.
Es ist wie so oft, wenn es bei mir um das schnuckelige Logo geht, unweit vom Dammtor und quasi mitten im Studentenviertel von Hamburg gelegen. Ich will da einfach regelmäßig hin. Wenn dann noch, wie an diesen zwei Tagen gute Freunde dabei sind, natürlich umso besser. Dabei ist es gar nicht so wichtig, ob man die Bands welche dort spielen vorher kennt oder nicht. Ich kenne keine anderen Location in Hamburg mit einem qualitativ so hochwertigen Programm. Es ist kein reiner „Punk Laden“. Bands aus allen Genres spielen hier seit inzwischen gut 50 Jahren. Ich versuche, so oft wie möglich hinzugehen und hab hier in den letzten 10-12 Jahren super viele tolle neue und alte Bands entdeckt. Viele, heute sehr große Bands, haben ihre Karriere im Logo quasi gestartet. Ein Beispiel dafür sind Papa Roach.
Ein Club der schon so oft vor dem Aus war, besonders während Corona war es ganz knapp.
Das Logo musste ein Crowd Funding starten um weiter zahlungsfähig zu bleiben. Da hat sich dann gezeigt, dass ganz viele Leute den Club sehr zu lieben scheinen. Die Spendenaktion war super erfolgreich und wir konnten den Laden mit vereinten Kräften retten. Allerdings gibt es seit dem „Ende der Pandemie“ neue Besitzer. Ein weiteres Problem bringt die Lage mitten im Wohngebiet mit sich. Nachbarn die sich schon öfter über die Lautstärke beschwert haben. Aktueller Kompromiss, ab 23 Uhr muss die Live Musik aus sein.
Es ist gar nicht so einfach, meine Liebe zu diesem Laden angemessen zu beschreiben. Ein Grund ist sicherlich das Personal. Stoffelig wie ich bin, kenne ich bis heute niemanden beim Namen und hab mich jetzt auch nie länger unterhalten mit den Leuten. Aber man kennt sich irgendwie trotzdem. Das Bedarf es gar nicht vieler Worte. Egal ob Garderobe oder Bar, jeder macht einen super Job. Das immer mit einem Lächeln und einem freundlichen Wort auf dem Lippen. In der Mitte der Bühne ist ein schon legendärer Pfeiler, der einfach Kult ist. Die Bühne ist nicht besonders hoch, hinten sieht man somit eher schlecht. Der Laden heizt sich super schnell auf und nicht umsonst nennen wir das Logo liebevoll „die heißeste Sauna von Hamburg“.
Kürzlich wurde nach all den Jahren tatsächlich eine Klimaanlage gebaut, vorher konnte ich im Sommer regelmäßig mein Shirt nach der Show auswringen.
Klingt alles vielleicht erstmal gar nicht so „Special“.
Für mich ist das Logo aber einfach pure Liebe. Es fühlt sich jedes mal an wie „nach Hause“ kommen. Dieser spezielle Geruch, die tollen Leute und die fantastischen Bands. Ich werde diesen Ort besuchen bis ich alt und grau bin.
Auch heute (und morgen) sollte mich das Booking vom Logo in Sachen Musik nicht enttäuschen.
Gegen 20 Uhr betreten vier sehr seltsam aussehende Typen die Bühne. Sie tragen schlecht sitzende weiße Anzüge, sehr schlecht sitzende Krawatten und noch schlechter sitzende Perücken. Die Show beginnt mit einer Art Metall Cover vom allseits bekannten Backstreet Boys Hit „Everybody“. Das hat tatsächlich ordentlich Druck. Bei der ganzen Performance wird auf der Bühne nicht getanzt. Starr, quasi regunglos und sehr ernst brüllt uns der Sänger an. Ich finds zum schreien lustig. Es gibt weitere spannende Versionen von bekannten Hits und wir schaffen es tatsächlich einen kleinen Moshpit zu starten. Am Ende kann sich der Sänger dann doch ein kleines Grinsen nicht verkneifen. Ein guter Auftakt, der für allerbeste Stimmung sorgt.
Bei meiner Recherche wird mir dann später klar, dass sich unter der biederen Uniform scheinbar die Mitglieder der Hauptband verborgen haben. Sprich die Schröders sind quasi ihre eigenen Vorband und das augenscheinlich schon seid einigen Jahren.
Gegen 21 Uhr kommen die Jungs dann in normaler Kleidung auf die Bühne und lassen knapp 2 Stunden die Bude beben. Auf „Platte“ klang das alles gar nicht so wild. Aber live ist ja oft was anderes. Mein Vorsatz heute nicht beim „Schubsetanz“ zu partizipieren löst sich schon nach wenigen Minuten in Luft auf. Man merkt, dass es die Band schon ursprünglich seit 1989 gibt. Seit 2009 ist sie wiederum offiziell eigentlich aufgelöst und spielt nur gelegentlich ausgewählte Konzerte.
Mein Freund bringt es and diesem Abend liebevoll auf den Punkt „Das ist hier heute echt wieder voll die Boomer Party“. Sprich das Publikum ist eher etwas älter, aber hat absolut Bock auf schwitzen und tanzen. Zudem sind die Leute beeindruckend textsicher. Bei einem Song muss sogar gekniet werden. Eine Dame aus der ersten Reihe spricht mich an „Können wir Arm in Arm gleich wieder zusammen hoch. Ich weiß nicht ob ich es alleine schaffe“. Meine Reaktion „Wir versuchen das mal“. Hat dann gut geklappt. Wir werden alle nicht jünger, aber wir leben noch !
Songtechnisch wird eine bunte Mischung aus gut 35 Jahren geboten. Als richtiger Knaller zeigt sich live „Banküberfall„. Eine schnelle Nummer, die den Laden zum ersten Mal richtig explodieren lässt. Der Sänger Jens Burger erweist sich zudem als absolute Rampensau mit kräftiger und kratziger Stimme.
Sehr gut gefallen tut mir auf anhieb der Song „Thomas„. Ein durchaus politischer Song über rechte Tendenzen bei jungen Menschen, in der Tradition von Bands wie den Toten Hosen. Der Thomas, der nur „auf die Fresse hauen“ kann, aber nicht tanzen. Sprich alles mit einem leichten Augenzwinkern und im Kern doch sehr ernst.
Allgemein ist ein Vergleich mit dem Toten Hosen durchaus treffend. Die Songs sind größtenteils sehr melodisch. Die Refrains sind oft ziemlich catchy und man kann schnell gut mitsingen. Das kann man mögen oder nicht. Ich liebe es ! Diese Mischung aus viel Humor, etwas Melancholie und ganz viel Herz.
Nummern wie „Nur wir zwei“ und „Nie mehr“ sind da gute Beispiele. Songs über Freundschaft und „die alten Zeiten“, bei denen man den besten Freund, oder die beste Freundin einfach nur knuddeln will.
Mit „Goldener Reiter“ spielen sie gegen Mitte des Sets eine gelungene Cover Version vom legendären Joachim Witt Song
„Mutter horch an deiner Tür“ vom gleichnamigen Album lässt mich aufhorchen. Den kenn ich doch. Es geht um die erste Liebe und eine spionierende Mutter, die eine innige Liebesbeziehung verhindert.
Anschließend kommt sinnigerweise ein echter Gassenhauer mit Namen „Lass und schmutzig Liebe machen“ und der ganze Laden singt „Lalalala“
Dann kommt mit „Frösche“ direkt ein weiterer Hit aus dem Song Katalog. Es geht um Frösche ermorden, um die Emotionslosigkeit dieser Spezies und wir singen „Frösche weinen nie“.
Mein emotionaler Höhepunkt ist an beiden Abenden die Cover Version des Hannes Waders Klassikers „Heute hier morgen dort„. Ein zeitloser Song, der auch im Punk Gewand wunderbar funktioniert. Zudem ein Text, der mich jedes mal wieder sehr berührt. Warum bin ich so geworden wie ich bin? Was möchte ich mit meinem Leben noch machen? Vielleicht nochmal was ganz anderes ? Vielleicht geht es mir auch richtig gut mit dem wie es zurzeit ist. Allerdings bleibt am Ende immer die Erkenntnis, dass „nichts bleibt wie es war“. Irgendwann sind wir und unsere Liebsten nicht mehr da. Solche Gedanken gehen mir an dieser Stelle durch den Kopf.
Nun geht die Band erstmal vor der Bühne und kehrt nach wenige Minuten für ein paar Zugaben zurück. Es folgen „Tod in der Nordsee„, „Saufen“ (Cover von Songwriter Funny van Dannen), „Liebeslied“ und das wunderbare „Blues„.
Als letzte Zugabe wird „Nie wieder Rock’n Roll“ gespielt. Band und Publikum geben nochmal alles. Ein tolles Konzert nimmt sein Ende.
Hinterher geht es noch ins Down Under. Eine australische Bar mit Essen, fast direkt neben dem Logo. Sehr stilecht in Australien-Optik eingerichtet und mit ebenfalls netten Personal. Viele Studenten und auch gelegentlich mal Kellner, die nur englisch können. Hier gibt sehr leckere Chicken Wings und eine Vielzahl an verschiedenen Getränken vom Fass. Zudem ist am Freitag den ganzen Abend Cocktail Happy Hour. Wir verquatschen uns wie so oft. Als dann schon die Stühle gegen 1:30 Uhr in der früh hochgestellt werden komplimentiert man uns mit saften Nachdruck in die Hamburger Nacht.
Am Samstagabend machen wir das ganze dann nochmal und die Band stellt unter Beweis, dass zwei Tage Schröders in Folge überhaupt nicht langweilig sind. Ich hoffe sehr, man sieht die „Jungs“ spätestens nächstes Jahr wieder.
Die Songs gefallen mir inzwischen auch vom Band richtig gut und ich werde mich jetzt mal durch die Discografie der Schröders durcharbeiten.