Rebellion Festival 2024 – Teil 3

22. August 2024

Akustische Sternstunden und ein rechter Aufmarsch

Der Samstag hat einige Überraschungen für uns bereit gehalten – sowohl unerwartete Highlights als auch eine absolut unnötige Störung meines neuen Herzensfestivals…

Der Tag beginnt wie immer mit Frühstück am Strand. Danach gehen wir ein Stück am Wasser und erkunden den „North Pier“ von Blackpool. Der Pier ist ziemlich lang und augenscheinlich sehr alt. Fast alles wirkt stark „restaurierungsbedürftig“. Allerdings erahnt man, wie schön das ganze vor 40-60 Jahren ausgesehen haben muss.

Ein bisschen Schönheit ist erhalten geblieben (wie auf dem Foto zu sehen). Wir fühlen uns auf jeden Fall direkt wohl. In Sachen Charme passt der Pier perfekt zu dieser „Dirty old Town“. Was absolut liebevoll gemeint ist.

Die Sonne scheint und wir setzen uns in ein Cafe mit direktem Blick aufs Meer. Für Mutti gibt es einen Kaffee, für mich einen Bulmers Cider. Die Tische draußen sind an diesem späten Vormittag bereits gut besetzt. Alle genießen das Wetter.

Dabei ist es eine sehr bunte Mischung von Leuten. Wir sehen ein altes Rentnerpaar, dann ist daneben ein richtiger Punkertisch, an dem 2-3 Generationen vereint sind und neben uns sitzt ein deutsches Paar mittleren Alters, welches den Armbändern nach ebenfalls für das Festival hier ist.

Frisch motiviert geht es bereits gegen 12 Uhr mittags zurück zum Punkrock Heaven, genannt „Winter Garden“.

In Evil Hour in der „Almost Acoustic Stage“

Die erste Band des Tages führt uns an eine neue Location. Sie liegt ganz oben im 2ten Stock und durch die Kuppel fällt das Licht der Mittagssonne. In Evil Hour sind normalerweise eine Hardcore Punkband, die soundtechnisch und inhaltlich durchaus an Bad Religion erinnern.

Allerdings haben sie eine Sängerin mit großartiger markanter und aggressiver Stimme. Schon digital hat mir das sehr gut gefallen. Hier spielt die Band das ganze als Akustik Set und es klingt absolut fantastisch. Endlich versteht man mal jedes Wort. Dabei kommt ihnen natürlich zugute, dass das Textmaterial bärenstark ist. Auch beeindruckend, wie die Sängerin es vermag, ihre Stimme variabel einzusetzen. Für mich einer der stärksten Auftritte vom ganzen Wochenende. Eine halbe Stunde Gänsehaut am ganzen Körper.

Zu schade, dass sie nicht auch noch ein Hardcore Set in einer der anderen Locations spielen durften. Kann die Band nur empfehlen. Als Anspieltipps würde ich noch die Songs „Progress“ und „Predator“ nennen wollen. Diese vermitteln einen guten ersten Eindruck von der Band.

Jonny Robson in der „Almost Acoustic Stage“

Da es grade so schön und gemütlich ist, hier gibt es Sitz- und Stehplätze, bleiben wir in der Location. Jonny Robson ist ein australischer Songwriter, mit „Working Class“ Texten. Seine Gitarre beherrscht er meisterhaft und die Stimme ist auch toll. Es sind einige Leute, da , die ihn zu kennen scheinen. Ich finde hinterher heraus, dass er ansonsten bei einer Band mit Namen Gimp Fist spielt. Die hatten später am gleichen Tag einen Auftritt im Ballroom und wir wollten eigentlich hin. Dann hatten wir aber das dringende Bedürfnis nach „Fish and Chips“ essen und Bier trinken am Pier. Gelegentlich siegen halt doch die Grundbedürfnissen über die Musik.

Jess (Raising Ravens) in der „Almost Acoustic Stage“

Weiter geht es mit dieser australischen Songwriterin. Absolut solide, aber sehr undankbar nach den letzten beiden Acts. Der Raum ist inzwischen auch leider sehr leer geworden. Und auch für uns wird es nun Zeit, die Location zu wechseln.

Los Fastidios im Empress Ballroom

Zurück in der prächtigen Haupthalle, sehen wir zum ersten Mal die Los Fastidios. Kennen tue ich sie hauptsächlich aufgrund ihres Songs „Antifa Hooligans“. Dieser wird am Ende jeder Halbzeitpause beim FC St. Pauli gespielt und von mir sehr gemocht. Trotz der politischen Ansagen ist nun endlich mal Partytime angesagt. Der Laden springt und tanzt, was das Zeug hält. Der Mix aus italienischen und englischen Texten ist abwechslungsreich und versprüht beste Laune. Am Ende wird dann beim zuvor genannten Song gemeinsam im Chor gesungen und es werden die Fäuste geballt.

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Hard Skin im Empress Ballroom

Solider Oi ! Punk, mit einem sehr witzigen und angriffslustigen Sänger. Es werden spaßhaft ein paar Seitenhiebe gegen „befreundete“ Bands verteilt. Beispiel gefällig?: „Have you seen the Cock Sparrer Shirts for 5 Pound, on which it says 50th anniversary ? They had a break of not playing for nearly 20 years ….. and they are a bunch of fascists anyway“. War am Ende alles nur ein Spaß und alle hatten was zu lachen. Hier in Deutschland hätten sich sicherlich direkt wieder Leute angegriffen gefühlt. Naja, musikalisch okay, aber unterhaltsam war es.

Hinterher war es wieder Zeit für was zu Essen und Bier, am Pier! 😉

Loose Articles im Empress Ballroom

Weiter geht es mit dieser reinen Frauen Punkband aus Manchester. Mit denen werden wir irgendwie nicht warm. Plätschert so vor sich hin. Es fehlt uns die Aussage und der Druck. Well, like a wise man once said, „You can not win `em all“.

Laut Recherche haben die Damen bereits als Support für die Foo Fighters gespielt. Sprich, sie scheinen ihre Fanbase zu haben. Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Eine gewisse Müdigkeit steckt mir vom fetten Essen auch noch in den Knochen (natürlich nur vom Essen 😉 ) . Vielleicht nicht die beste Voraussetzung für ein neutrales Urteil über diese Band.

Millie Manders and the Shut Up im Empress Ballroom

Eine Band, auf die ich mich sehr gefreut habe. Erneut weibliche Sängerin (Millie I Guess). Insgesamt 2 Jungs und 2 Mädels stehen auf der Bühne und reißen den Ballroom ab. Es ist eine Crossover Mischung, in Richtung „Swiss und die Andern“. Millie kann wirklich alles. Sie rappt sehr gute und prägnante Texte. Mal persönlich, oft politisch.

Super singen kann sie auch und wenn singen nicht reicht, beherrscht sie auch das Schreien! Schnell hängt der ganze Laden an ihren Lippen. Das nutzt sie für einige, teils auch kontroverse, politische Ansagen. Insgesamt ein fantastischer Gig. Ebenfalls sehr zu empfehlen; insbesondere das neue Album „Wake up – Shut Up – Work„.

Death of Guitar Pop im Empress Ballroom

Weiter geht es mit einer Ska/Pop/Punk Band aus Essex, die mir schon bei meiner Recherche super gefallen hat. Von der ersten Sekunde an gute Laune und Abriss. Alle tanzen mit. Die Texte sind eher leichterer Natur. Meistens geht es um die Liebe oder um Essex ;). Eine erfrischende Abwechslung zu den meist doch ziemlich ernsten anderen Bands.


Cock Sparrer im Empress Ballroom

Ich muss gestehen, dass ich die Band erst in den letzten Monaten für mich entdeckt habe. Bin halt noch relativ jung und auch noch nicht so lange in dieser „Szene“. Allerdings hatte ich im Vorfeld scheinbar die richtigen Alben gehört und kannte alle Songs, die gespielt wurden.
Inzwischen ist es schon fast klaustrophobisch voll in der „Arena“. Eine sehr bunte Mischung. Von Kind bis zum Rentner ist gefühlt alles dabei. Natürlich viele Skins, aber auch nicht viel weniger Punks sind gekommen, um ihren alten Helden zu lauschen. Zwei deutsche Punks sprechen mich vor Beginn an und berichten von rechten Protesten am Nachmittag, wenige Gehminuten vom Winter Garden entfernt. Für die Besucher des Festivals wurde aus Sicherheitsgründen der Einlass und der Ausgang zwischen 17-19 Uhr gesperrt. Der Marktplatz soll verwüstet worden sein. Kommentar der beiden Deutschen: „Die hätten mal unsere Skins rauslassen sollen, um den Faschos auf die Fresse zu hauen“. Meine Mutter und ich hatten „Glück“. Wir waren zu dem Zeitpunkt grade am Pier und haben nichts mitbekommen. Nun verstehe ich diese seltsam angespannte Stimmung, die zurzeit im Publikum herrscht. Für meine – im nachhinein sehr naiven Begriffe – war die Musik (vor dem Konzert) eigentlich keine klassische Moshpit Musik.

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Ich sollte eines Besseren belehrt werden. Trotzdem stehe ich natürlich (bis zum bitteren Ende) brav vorne in der Mitte. Von Sekunde 1 an bricht die Hölle los. Selten habe ich einen so chaotischen und heftigen Pit erlebt. Jeder der den Pit liebt kennt wohl dieses leicht mulmige Gefühl, dass man manchmal die ersten Songs hat…..soll ich mir den „Scheiß“ wirklich antun ? Ist es heute vielleicht soweit und ich breche mir einen Knochen ?

Nach 3 Songs habe ich mich dann aber „eingegroovt“ und es wird eine fantastische Party/Schlacht ! Die „reifen“ Herren von Cock Sparrer geben wirklich alles und das Publikum frisst ihnen förmlich aus der Hand. Wie geil ist bitte „Because you’re young“ live. Pogo, singen und heulen gleichzeitig ist angesagt bei mir. Als letzte Zugabe gibt es am Ende noch den Klassiker „England belongs to me“.

Wenig später – an der Hotel Bar…

Klitschnass wie eh und je komme ich „zuhause“ an und es erwartet mich eine lebhafte Diskussion über die Geschehnisse vom Nachmittag. Zitat von einem irischen Punk, der von den rechten Demonstranten gefragt wurde, ob er nicht auch gegen Ausländer sei „I just throw chairs at these bastards“. Alle sind sich einig, dass man sich gegen diese Menschen wehren muss. Manche erzählen uns, mit den Randalierern gesprochen zu haben, um ihnen argumentativ das Handwerk zu legen. Viele der Rechten waren laut den Augenzeugen noch nicht einmal volljährig. Wahrscheinlich macht es da dann auch noch Sinn, mit den Menschen zu sprechen. Bei überzeugten Faschisten habe ich da leider immer so meine Zweifel.

So oder so wurde es wieder ein gelungener Abschluss vom Tag.

Bildrechte auf dieser Seite: Finn Hedges; Videos: aus Youtube geklaut